Nicht nur Suchtgefahr – wann das Smartphone die Stimmung verbessern kann (2024)

Die Arbeit nervt, die Steuererklärung wartet, man müsste endlich diesen Arzttermin ausmachen. Schnell greift man zum Handy und lenkt sich ab. Sollte man damit trotzdem vorsichtig sein oder hat das Ablenken mit dem Smartphone vielleicht sogar etwas Gutes?

Kann Smartphone-Nutzung die Stimmung verbessern?

Tatsächlich kann die Beschäftigung mit dem Handy wohl unsere Stimmung verbessern. Das legt zumindest eine Studie im Journal Plos One nahe. In ihr wurden Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren befragt. Sie berichteten von einer besseren Stimmung, wenn sie ihr Smartphone nutzen. Je länger die Nutzung, desto besser die Stimmung.

„Dass Smartphone-Nutzung und Mediennutzung im Allgemeinen kurzzeitig die Stimmung aufhellen kann, ist durch viele Studien gut dokumentiert“, sagt Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Adrian Meier von der Uni Erlangen-Nürnberg dem Science Media Center Germany (SMC).

Smartphones könnten also womöglich gezielt dazu verwendet werden, die Stimmung zu verbessern. Expertinnen und Experten bewerten die Studie im Plos One zwar als interessant, aber insgesamt als nicht sehr aussagekräftig. Zum einen wird die Befragungsmethode kritisiert, zum anderen wird nicht untersucht, um welche Handy-Nutzung es genau geht. Es solle aber mehr in die Richtung geforscht werden. Denn bisher seien vor allem negative Folgen von Smartphone-Nutzung untersucht worden.

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In welchen Situationen kann Ablenkung durchs Smartphone positiv sein?

Dass Smartphones uns stark ablenken können, dürfte klar sein. Sogar wenn sie ausgeschaltet neben uns liegen, können sie unsere Aufmerksamkeit verringern. Oft wird deshalb geraten, die Smartphone-Nutzung eher zu reduzieren.

Diskutiert werden auch schwerere Probleme: In manchen Untersuchungen werden etwa Depressionen mit stundenlangem Herum-Scrollen auf dem Handy in Verbindung gebracht. Unklar ist aber, wie das genau zusammenhängt.

Alles in allem sieht es allerdings so aus, als ob die Handy-Nutzung sich prinzipiell nur sehr gering auf die psychische Gesundheit auswirkt.

Obwohl vor allem negative Folgen von Handy-Nutzung diskutiert werden, gibt es womöglich auch positive Aspekte:

Co-Use: Gemeinsamer Medienkonsum

Die Lieblingsserie mit der Partnerin oder dem besten Freund auf der Couch gesehen, zusammen gelacht, vielleicht auch geweint? Das verbindet. Der gleiche Effekt kann auch auftreten, wenn man gemeinsam etwa Videos auf dem Handy schaut oder nach einem besonders absurden Funfact sucht. Laut Unterhaltungsforscherin Prof. Dr. Kathrin Karsay von der Uni Wien werden solche Aktivitäten mit einer höheren wahrgenommen Freundschaftsqualität in Verbindung gebracht, wie sie dem SMC mitteilte. Mit Freundschaftsqualität sind etwa Dinge wie Fürsorge und Bestätigung, Hilfe und Beratung sowie vertraulicher Umgang gemeint.

Austausch mit Gleichgesinnten

Außerdem ist es leichter, sich etwa über Messenger-Dienste mit Gleichgesinnten auszutauschen. Wer hier Bilder, Sprachnachrichten und Texte austauscht, steigert somit eher das eigene Wohlbefinden. Vor allem Menschen aus Randgruppen kann das wohl helfen: „Insbesondere für marginalisierte Gruppen bieten digitale Medien die bedeutsame Möglichkeit, sich – gegebenenfalls anonym – auszutauschen und Probleme zu besprechen“, sagt Karsay dem SMC.

Es spielt aber eine große Rolle, wie soziale Medien und Messenger-Dienste verwendet werden. Eher passive Nutzung, also reines Scrollen oder Browsen, wurde mit stärker empfundener Einsamkeit verknüpft.

Lustige Videos: Inhalte passend zur Stimmung

Ein Grund, warum sich die Stimmung bei der Handy-Nutzung verbessern kann, könnte die sogenannte Mood-Management-Theorie sein. „Die Theorie besagt, dass Menschen Medieninhalte auswählen, die ihren aktuellen emotionalen Bedürfnissen entsprechen“, sagt Karsay dem SMC. Medieninhalte würden so ausgewählt, dass positive Stimmungen verstärkt oder negative Stimmungen abgeschwächt werden.

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Wie lange hält eine positive Wirkung des Handys an?

Likes, Benachrichtigungen, Kommentare: Vor allem soziale Medien oder Messenger-Dienste sind so ausgelegt, dass wir bei Benutzung psychisch belohnt werden. Insgesamt ist gut belegt, dass Smartphone-Nutzung die Stimmung kurzfristig verbessern kann. Ob das aber für alle Menschen gilt und ob der Effekt auch länger hält, ist unklar.

Ob es uns gut geht, hängt von vielen verschiedenen Dingen ab. Screen-Time, also die Zeit, die wir am Handybildschirm verbringen, ist da nur einer von vielen Einflüssen. Eine generelle Aussage, dass viel Handy-Nutzung auch immer zu mehr Wohlbefinden führt, ist deshalb falsch.

Wann wird der Griff zum Handy zum Suchtverhalten?

Gerade schlecht drauf, also kurz ans Smartphone, die schlechten Gedanken wegwischen? Langfristig vielleicht keine gute Idee. Denn das Handy gezielt dazu zu verwenden, die Stimmung zu beeinflussen, könnte bereits Suchtverhalten sein. Etwa dann, wenn das immer wieder gegen unangenehme Situationen getan wird. Man spricht dann auch von dauerhaften, unproduktiven Bewältigungs-Strategien.

Wie viel Ablenkung mit dem Smartphone ist empfehlenswert?

„Prinzipiell muss es nicht schlecht sein, sich mit dem Handy abzulenken“, sagt Psychologin Dr. Isabella Helmreich vom Leibniz-Institut für Resilienzforschung. Wer etwa den Drang hat, auf dem Laufenden zu bleiben, oder sich nach körperlicher Arbeit ablenken mag, solle das ruhig tun. „Das ist auch immer eine Sache der Persönlichkeit.“ Wichtig sei aber, das Verhalten zu reflektieren: Will man überhaupt so viel Zeit am Smartphone verbringen? Oder ärgert man sich insgeheim, dass man eine Stunde nur herumgescrollt hat?

Wir müssen am Handy lauter winzige Entscheidungen treffen: Was klicke ich an, wo verharre ich länger, welche Nachrichten lese ich. Das strengt an

Früh nach dem Aufstehen, abends vor dem Schlafen und in Pausen von geistiger Arbeit rät Helmreich von der Handy-Nutzung ab: „Wir müssen am Handy lauter winzige Entscheidungen treffen: Was klicke ich an, wo verharre ich länger, welche Nachrichten lese ich. Das strengt an.“ Wenn wir dann zusätzlich in eigentlich ruhigen Minuten auf das Smartphone zugreifen, fehlen uns echte Pausen für unser Gehirn.

Sich akut mit dem Smartphone von stressigen Situationen abzulenken, kann höchstens kurzfristig helfen. Auf jeden Fall sollte man laut Helmreich andere Strategien parat haben, um Probleme zu lösen. Regt man sich etwa häufig über die Vorgesetzten auf und greift dann zum Handy, kann das durchaus beruhigen. „Wenn man den Konflikt aber nicht anders löst, hilft einem das Handy da langfristig auch nicht weiter.“

Ein anderer Begriff für ein solches Verhalten wäre vermeidendes „Coping“ (Deutsch: überwinden, bewältigen). Coping meint also Bewältigungs-Strategien, wenn man auf Probleme stößt. Bei vermeidendem Coping wird ein Problem geleugnet – oder davon abgelenkt. Im Extremfall mit Drogen. Aber auch Videospiele, Fernsehschauen oder eben Scrollen mit dem Handy wird dafür von manchen hergenommen.

Bis auf wenige Ausnahmen, in denen das Problem ohne eigenes Zutun verschwindet, ist vermeidendes Coping meist nicht zielführend und nur kurzfristig entlastend, da das Problem weiterhin fortbesteht.

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